Diese Karte führt ähnlich wie der „Rote Faden” in Hannover, verschiedene Orte auf und ermöglicht einen Rundgang.
Dabei geht es aber nicht um irgendwelche Sehenswürdigkeiten, sondern um Institutionen und Unternehmen, die beispielhaft für die autoritär-neoliberale Politik von Deutschland in der Krise stehen. In Hannover gibt es zwar keinen Sitz des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank oder der EU-Kommission - also der Troika, die Ländern wie Spanien oder Griechenland Sparmaßnahmen und Verarmungsprogramme aufdrängt - aber trotzdem lassen sich auch hier repräsentative Einrichtungen finden, die ihren Beitrag an der „Krisenverwaltung“ und dem Spardiktat leisten; oder einfach nur dazu, dass der kapitalistische Laden weiter läuft. An ihnen lässt sich aber auch zeigen, dass nicht die deutsche Wirtschaft die Leidtragende der Krise im Euroraum ist, sondern vielmehr als Gewinnerin aus ihr hervor geht. Wir nennen diese Institutionen oder Unternehmen Krisenakteure.
Einige von diesen Krisenakteuren haben wir ausgesucht und ihre Funktion näher erläutert. Die hier Ausgewählten stehen exemplarisch für die kapitalistische Normalität und dafür, wie diese in der Krise ohne Rücksicht auf (menschliche) Verluste weiterlaufen muss.
Krisenakteure markieren!
Krieg fängt hier an und wird von der 1. Panzerdivision, beispielsweise in Afghanistan, geführt. Nicht für Freiheit und Menschenwürde, die vielzitierten Frauenrechte, sondern mit dem Ziel der Ausweitung und Stabilisierung von Macht und Wirtschaftsinteressen Deutschlands, der EU, der NATO. Krieg ist ein geopolitisches Mittel zur Sicherung von Rohstoffen, Märkten und Handelswegen. Grade in unsicheren Krisenzeiten ist dies von zunehmender Bedeutung.
Die Tina Voß GmbH steht hier stellvertretend für die gesamte Branche der Zeit- und Leiharbeitsfirmen. Mit der Etablierung von Leiharbeit als Arbeitsform wurde der Niedriglohnsektor salonfähig. Produzierende Gewerbe und Dienstleistungsunternehmen nutzen die Auslagerung von Arbeitskräften in Leiharbeitsfirmen. So wird auch die festangestellte Belegschaft unter Druck gesetzt. Durch den Ausbau des Leiharbeitssektors konnte sich die deutsche Wirtschaft einen Vorteil in der Konkurrenz sichern. Die betroffenen Beschäftigten werden dadurch in prekäre Lebenssituationen gedrängt.
Für die „Conti“ arbeiten heute 165.000 Menschen in 46 Ländern. Sie ist die europäische Nummer 2 der Automobilzulieferer. Trotz weitgehender Zugeständnisse der ArbeiterInnen schloss Conti 2009 das Reifenwerk in Stöcken. Dabei steigerte der Konzern seinen Gewinn bis 2012 auf knapp 1,9 Milliarden Euro, für 2013 wird ein Umsatzplus von mehr als 5 Prozent aus über 34 Milliarden versprochen. Möglich wird dies durch massives Drücken der Lohn- und Lohnnebenkosten, Entlastung von Steuern und Einrichtung von flexiblen Arbeitszeiten im globalen Maßstab. Auch hier wirkt die Krise: staatliche Konjunkturprogramme, billiges Kapital für Großkonzerne und die „Flexibilisierung“ steigern die Gewinne auf Kosten der lohnabhängig Beschäftigten. Entschlossene und z.T. heftig kriminalisierte Arbeitskämpfe wie in Mexiko und Frankreich bleiben weitgehend erfolglos, da eine internationale Solidarität der Arbeiterinnen fast nicht existiert.
Damit der kapitalistische Laden am Laufen gehalten wird und für private Unternehmen weiterhin gute Investitions- und Gewinnmöglichkeiten geschaffen werden, wird das öffentliche Eigentum an private Unternehmen verscherbelt. Bundes- und Landesregierungen der letzten 15 Jahre haben durch Gesetze und Vergabeentscheidungen alles daran gesetzt, das öffentliche Eigentum der Gewinnmaximierung zu unterwerfen. Auch hieraus ergibt sich in der Krise ein Vorteil gegenüber Staaten, die stärker an einer sozialen Daseinsvorsorge festgehalten haben.
Grundlage für die neue Form der sozialen und politischen Verwaltung derjenigen, die vom Kapitalismus als „Überflüssige“ produziert werden, ist die Agenda 2010. Diese Verwaltung findet für die Betroffenen hauptsächlich in den Jobcentern statt. Sie drangsalieren die Menschen ohne Arbeit und sorgen so dafür, dass sie auch noch jeden schlechten und schlecht bezahlten Job annehmen müssen. Sie sorgen dafür, dass es den Menschen ohne Arbeit noch schlechter geht als denen mit Arbeit. Die „Jobcenter“ sind somit ein erfolgreiches Instrument, um die Gesetzgebungen durchzusetzen, die in den letzten Jahren zur Senkung der Löhne in Deutschland geführt haben. Ohne diesen Standortvorteil stünde die deutsche Wirtschaft heute nicht so gut in der Krise da. Den Menschen, die wöchentlich in diesen Einrichtungen drangsaliert werden oder in Leiharbeit und Arbeitsmaßnahmen gedrängt wurden, hilft das freilich wenig.
Die Ausländerbehörden verwalten die Menschen, die in Deutschland ohne deutschen Pass leben. Diese sortieren sie nach ihrer „Nützlichkeit“ für den Standort Deutschland. Gerade in der Krise kommt den Behörden die Rolle zu, Menschen, deren Arbeitskraft nicht als nützlich erachtet wird, aus Deutschland fernzuhalten. Ausländische Fachkräfte dürfen (unter strikten Auflagen) bleiben. Alle anderen sollen verschwinden. Zuerst versuchen die Behörden die unliebsamen Flüchtlinge mit allerlei Schikanen abzuschrecken, wenn das nicht fruchtet, wird abgeschoben. In der Regel in Länder, in denen diese Menschen erneute Verfolgung durch den Staat oder existenzbedrohende Armut erwartet.
Bieraltkanzler Gerd verkörpert die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 wie kein anderer. Diesen Reformen unter der sozialdemokratischen Regierung von SPD und Grünen ist es zu verdanken, dass der Standort Deutschland sich heute als Krisengewinner rühmen kann. Die Leute, die dank Hartz-IV noch weniger zum Leben haben, oder durch die Jobcenter in prekäre Arbeitsverhältnisse, wie Leiharbeit, gedrängt wurden, können sich davon nur leider nichts kaufen. Dafür ist aber natürlich nicht Gerhard Schröder alleine zu verantworten. Von CDU bis Grüne halten alle an diesem Modell fest, es ist eben „alternativlos“. Und da es für die Wirtschaft so ein Erfolgskonzept ist, wird es in der Krise auch in die anderen EU-Staaten exportiert. Zusammen mit all seinen lebensfeindlichen Konsequenzen.
Das spanische Konsulat steht hier stellvertretend für die spanische Regierung. Diese hat es sich zum Ziel, gesetzt durch Deregulierung des Arbeitsmarktes und Kürzungen der Sozialausgaben, aus der Staatsschuldenkrise zu kommen. Diese Maßnahmen werden ihr zwar von der Troika (bestehend aus Europäischer Zentralbank, EU und Internationalem Währungsfond) vorgegeben, sie ist aber auch selbst daran interessiert wieder einen guten Platz in der Staatenkonkurrenz einzunehmen. Für die Menschen in Spanien gehören seitdem Zwangsräumungen und materielle Unsicherheit zum Alltag.
Die Spanische Regierung steht dabei mit ihrer Politik in Europa nicht alleine. Griechenland, Portugal, Irland, Zypern, Italien, Island. Nahezu alle Regierungen (in) der Europäischen Union folgen einer autoritären Neuauflage des Neoliberalismus.
Wir haben uns als Blockupy-Bündnis Hannover gegründet, um gegen die autoritäre Politik in der Krise, die Menschen gegeneinander ausspielt, vorzugehen. Unsere Solidarität gilt all denen, auf deren Rücken die Krise ausgetragen wird. Wir organisieren Widerstand auf regionaler und überregionaler Ebene. Am 31. Mai und 1. Juni 2013 werden wir bei Blockupy in Frankfurt am Main dabei sein. Doch auch vor Ort in Hannover richten wir uns gegen autoritäre Krisenlösungen und das gnadenlose Spardiktat – und das ist notwendiger denn je.
Seit fast fünf Jahren steckt der Kapitalismus in der Krise und kein Ende ist in Sicht. Dabei treten die gesellschaftlichen Widersprüche immer offener zu Tage. Massenarmut hält wieder Einzug in die einstigen Wohlstandsländer, während die Staaten versuchen mit gigantischen Konjunkturprogrammen Banken und „systemrelevante“ Industriezweige zu retten. Das vorfreudige Gefühl der baldigen Einlösung des bürgerlichen Glücksversprechens der sozialen Marktwirtschaft, das allen wenigstens ein bescheidenes Stück vom Kuchen in Aussicht stellte, ist dabei schon lange auf der Strecke geblieben.
Abgelöst wurde es durch eine autoritäre Neuauflage des Neoliberalismus mit dem Prinzip: Wenn der Markt sich nicht von alleine sanieren kann, müssen eben die Arbeitenden durch großangelegte Flexibilisierungsprogramme auf Trab gebracht werden. Wenn die sich das nicht gefallen lassen, greift der Staat mit seinem Ensemble aus Behörden durch.
Das rigide System der Job-Center erniedrigt Menschen durch Kontrollen ihrer privaten Lebensverhältnisse, das Auferlegen überflüssiger Maßnahmen und Kürzungen ihrer Bezüge. Arbeitssuchende werden in einen wachsenden Niedriglohnsektor gedrängt. Dieser bedeutet für sie schlechte Lebensbedingungen, aber auch rekordverdächtig billige Arbeit für die Unternehmen. Dass die deutsche Wirtschaft jetzt so gut dasteht ist folglich Resultat von Agenda 2010, die die Risiken und Nebenwirkungen der kapitalistischen Konkurrenz lange vor der Krise schamlos auf die Menschen abgewälzt hat. Für diese Menschen ist das Gerede vom „Krisengewinner Deutschland“ deshalb an Zynismus kaum zu überbieten - denn gewonnen haben sie rein gar nichts.
Dieses Modell ist nun ein Exportschlager, der den kriselnden Staaten am Rande der EU (wie z.B. Griechenland), durch die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zusammen mit umfassenden Sparauflagen aufgezwungen wurde – mit verheerenden Auswirkungen auf die Menschen dort: So sind z.B. in Griechenland die Sozial- , Gesundheits- und Rentensysteme zusammengebrochen und in Spanien stehen 800.000 kreditfinanzierte Wohnungen leer, während 400.000 Menschen zwangsgeräumt wurden und 400.000 weitere davon bedroht sind.
Die drastischen Sparmaßnahmen sorgen auch in den Bereichen, die sich scheinbar Abseits kapitalistischer Produktion befinden, für eine Privatisierung der Lebensrisiken. Der schon seit den 1980er Jahren andauernde Abbau von staatlichen Sozialleistungen, sowie Kürzungen und Privatisierung in Krisenzeiten verschärfen die Arbeitsverhältnisse im Care-Sektor (Dienstleistungen im Pflegebereich/Gesundheitswesen) nur noch weiter. Sogenannte „Care Work“ wird zunehmend nicht mehr nur privat, unbezahlt und unsichtbar erledigt, sondern in ungesicherten Arbeitsverhältnissen gegen Bezahlung übernommen. So werden Wohnen, Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Rente für immer mehr Menschen prekär. „Care Work“ ist ein Niedriglohnsektor, der vom patriarchalen kapitalistischen System fast ausschließlich Frauen zugedacht wird und eine fließende Grenze in illegalisierte und deregulierte Arbeitsverhältnisse hat. Die Situation im Care Sektor ist exemplarisch für fortgesetzte geschlechtsspezifische Ausbeutung und gesellschaftliche Arbeitsteilung.
Während sich gegen das Spardiktat auch Widerstand regt und etwa in Griechenland die Menschen mehr und mehr Versorgungskooperativen gründen, welche die ausfallenden sozialen Dienste des Staates übernehmen, gibt es gleichzeitig in der gesamten EU ein Erstarken von nationalistischer und sozialchauvinistischer Ausgrenzung: neofaschistische Parteien können in Osteuropa und Griechenland Rekordwahlergebnisse einfahren. In Deutschland hingegen erfreut es sich gerade größerer Beliebtheit in sozialchauvinistischer Manier gegen angebliche „Sozialschmarotzer“ zu wettern – was, wie die Empörung über die „Pleitegriechen“ beweist, nicht nur auf Deutschland beschränkt ist.
Denn die Verschärfung der marktradikalen Ordnung der EU bedeutet auch, dass jeder Mensch seine Verwertbarkeit noch mehr unter Beweis stellen muss. Das bekommen auch Migrantinnen und Migranten vermehrt zu spüren. Doch für sie bedeutet das Urteil „nicht verwertbar“ nicht nur Obdachlosigkeit und schlechte Gesundheitsversorgung, sondern Abschiebung. Dass sie in Staaten zurück müssen, aus denen sie wegen Verfolgung oder katastrophaler Lebensbedingungen geflohen sind, wird dabei billigend in Kauf genommen. Dass die Asylsuchenden aber gar nicht erst ins Land kommen, dafür sorgt die EU-Grenzschutzagentur FRONTEX. Sie hat dabei in den vergangenen Jahren mehr als 16.000 Menschen in den Tod getrieben.
Auch wenn es uns die bürgerliche Propaganda immer wieder einreden will: die Krise ist weder das Ergebnis schlechter Politik, noch des angeblichen Schlendrians von Teilen der EU-Bevölkerung, noch der Gier der Banker. Der Kapitalismus ist in seiner Entwicklung zunehmend auf Verschuldung angewiesen. Denn die rastlose Jagd nach immer höheren Profiten durch Produktivitätssteigerung führt paradoxerweise dazu, dass Gewinne nicht realisiert werden können – die Leute, deren Jobs wegrationalisiert wurden, können sich schließlich die billiger produzierten Waren nicht mehr leisten. Derzeit ist die vielbeschworene Realökonomie auf den Finanzmarkt angewiesen und nicht andersherum. So muss sich die Ökonomie mit Krediten und Finanzmarktgeschäften über Wasser halten. Die Ursache der Krise liegt folglich auch nicht an einzelnen Fehlern im System, die Ursache ist der Kapitalismus selbst.
Darum werden wir am 30. Mai und 1. Juni die EZB in Frankfurt blockieren und Krisenakteure markieren!
Wir tragen unseren Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes!
Setzen wir unsere internationale Solidarität gegen die Politik der Spardiktate!
Smash capitalism!
10.05. | 19 Uhr | Freizeitheim Linden
Podiumsveranstaltung „Soziale Proteste in der Krise“Eine Veranstaltung von Fast Forward Hannover.
16.05. | 14–18 Uhr | Ausländerbehörde (Leinstraße 14)
Kundgebung – "AUSLÄNDERBEHÖRDEN DICHT MACHEN!"21.05. | 19 Uhr | Freizeitheim Linden
Info- und Mobiliserungsveranstaltung30.05.–01.06. | Frankfurt am Main
Blockupy-Aktionstagehannover [ät] blockupy-frankfurt.org